Ceija Stojka
WIND . ERINNERUNGEN
11. Mai - 15. Juni 2012
„Egal, ob es sich um Bilder oder Musik handelt – Kunst muss im öffentlichen Raum passieren, damit etwas sichtbar wird und Menschen zueinanderfinden. Wir sind Menschen wie alle anderen und die Kunst kann dazu beitragen, dass wir atmen und leben dürfen.“                                               
   Ceija Stojka, März 2012

Mit der Ausstellung WIND.ERINNERUNGEN von Ceija Stojka wendet sich die Galerie KAI DIKHAS anlässlich der anstehenden Eröffnung des Berliner „Denkmal für die im
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma“ einer anderen Generation von Künstlern der Minderheit zu. Es ist die Generation der Überlebenden und Zeitzeugen des Holocaust. Der Holocaust ist eine bestimmende Erfahrung für die Gemeinschaft der Sinti und Rima, von der 500.000 Opfer des Holocaust wurden.

Die Romni Künstlerin Ceija Stojka gibt dem Unbeschreiblichen eine malerisch erzählte Form. In ergreifenden expressiven Ölgemälden, Aquarellen und eher flüchtigen Skizzen verarbeitet sie das Grauen des Porajmos (Romanes: „Das Verschlingen“). Ihre Arbeitsweise ist dabei sehr unmittelbar. Oft trägt sie die Farbe mit bloßen Händen auf Leinwand, Papier oder schlichtem Pappkarton auf. Vielfach sind diesen Bildern kurze kommentierende Texte beigegeben. Überdies malt Ceija Stojka Bilder voller Farbe, die getragen werden von einer Atmosphäre der Zuneigung. Den Bildern wohnt ein spezifischer Wind inne. Es ist ein Wind der Erinnerung, ein Wind vergangener, bewegter Tage und es ist ein Wind des Hier und Jetzt, der Zukunft und Hoffnung gleichermaßen. Diese Bilder sind wie ein Schritt aus der Finsternis heraus. Sie zeigen eine Malerin, deren Werke wie eine Vergewisserung ihrer Existenz und einer Welt jenseits des erfahrenen Albtraums wirken. Selbst wenn die alten Romawagen der Stojka- Familie nicht der Lebenswirklichkeit heutiger Roma entsprechen mögen, so wird ihr Abbild zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Enteignung einer
Kultur und einer traditionellen Lebensweise. Ceija Stojka vermag die Naturverbundenheit ihres Volkes glaubhaft darzustellen. So geht von diesen Bildern Klarheit aus. Stojka nimmt sich mit bloßen Händen und ihrer Farbpalette das zurück, was ihr in ihrer Jugend für immer entrissen worden schien.

Die Künstlerin entstammt einer bekannten Familie der österreichischen Lovara- Roma. Sie selbst ist eine in Österreich mehrfach ausgezeichnete Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Nach der Veröffentlichung ihrer Autobiografie im Jahr 1988 begann sie, ihre Erlebnisse und Erinnerungen mittels der bildenden Kunst darzustellen. Sie ist eine der wenigen Überlebenden ihrer Familie, während ihre Angehörigen Opfer des Holocaust an den Roma und Sinti wurden. Ihre Arbeit verleiht dem Geschehen, das von Juden als Shoa und von Roma als Porajmos, zu Deutsch etwa „das Verschlingen“, bezeichnet wird, visuellen Ausdruck. Sie übernimmt als Überlebende die Aufgabe, die Erinnerung an die Verstorbenen weiterzutragen. Mit ihren Schriften und ihrer Kunst übernimmt Stojka die wichtige Aufgabe einer mahnenden Überlieferung der bis heute nicht im kollektiven Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft verankerten Tatsache, dass auch die Roma Opfer des Holocaust waren. Die Künstlerin nimmt damit in Kauf, immer aufs Neue mit dem erlittenen Schmerz konfrontiert zu werden.

Parallel zur Ausstellung in der Galerie in Berlin zeigen wir in Heidelberg unter dem Titel „Freunde, wohin seid ihr verweht?“ eine Gemeinschaftsausstellung von Werken der Künstlerin mit Grafiken des deutschen Künstlers Otto Pankok (1893-1966), der die
Düsseldorfer Sinti portraitierte, bevor sie von den Nazis deportiert wurden. Die parallelen Ausstellungen sind die bislang umfangreichste Präsentation der Arbeiten von Ceija Stojka in Deutschland, nachdem sie auch in den USA, Australien und Japan zu sehen waren.
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