Jeannette Gregori, Valérie Leray, Nihad Nino Pušija
EIGEN.BILD
Pressemitteilung vom 26. September 2014
25. Oktober 2014 - 29. November 2020

Sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten, 


die GALERIE KAI DIKHAS - die Galerie für zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma - zeigt vom 25. Oktober bis zum 29. November 2014 die Gruppenausstellung EIGEN.BILD der KünstlerInnen JEANNETTE GREGORI (F), VALÉRIE LERAY (F) und NIHAD NINO PUŠIJA (D/BiH), kuratiert von Delphine Marinier, Moritz Pankok und Peter Krilles.

Die Eröffnung findet am Freitag, den 24. Oktober 2014 von 19 bis 21 Uhr im Aufbau Haus am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg statt. Dazu möchten wir Sie herzlich einladen.      

Die Fotografie spielte in Bezug auf die Sinti und Roma von Beginn an eine unrühmliche Rolle: Als Medium der Stereotype, des voyeuristischen Exotismus und der nationalsozialistischen „Rassenforschung“ trägt sie bis heute zum Phänomen des Antiziganismus bei.     
    
Valérie Leray begibt sich mit der Serie Nomades an die verlassenen (Un-)Orte der Internierung von Sinti und Roma, ihre Fotografien bieten eine Spurensuche zwischen der ästhetischen Präsenz des Mediums und den Absenzen des Gedächtnisses. Jeannette Gregori portraitiert in Proud to be Roma die Manouches, die Roma und Fahrenden im heutigen Frankreich, mal in traditionellem Umfeld, mal da, wo man sie nicht vermuten würde. Nihad Nino Pušija zeigt neue, selbstbewusste Portraits der Künstler des ersten Pavillons der Sinti und Roma auf der Biennale in Venedig 2007 und kombiniert sie mit weiteren Portraits seiner vielfältigen zwischenmenschlichen Begegnungen.  

Die drei FotografInnen eröffnen mit EIGEN.BILD, ihrem persönlichen Blick auf Vergangenheit und Gegenwart, die Utopie eines freien Europas der Zukunft.           


Zur Ausstellung erscheinen in der EDITION GALERIE KAI DIKHAS eine limitierte Edition von Drucken jeweils zweier Motive der ausstellenden KünstlerInnen.           
           

JEANNETTE GREGORI: Proud to be Roma                      

Jeannette Gregori (F) portraitiert seit 2008 Sinti und Roma zumeist in ihrer Heimat Frankreich. Ihre einfühlsamen Portraits präsentieren die Menschen mit Würde. Die Fotografie steht für sie im Dienste der zwischenmenschlichen Begegnung und des Humanismus. Ihre Arbeit mit den französischen Roma hat sie zu einem aktiven Teil der französischen Roma-Bewegung werden lassen.      
 
Die Portraitierten bleiben nicht nur ein Motiv, vielmehr begleitet Gregori ihre Modelle in unterschiedlichen Lebenssituationen. In vielen Fällen vermittelt die Fotografin aber auch Nachhilfe oder Schultipps und setzt sich für die Roma-Gemeinschaft ein. Dadurch entstehen besonders vertrauensvolle und auch visuell einzigartige Portraits, die viel von der persönlichen Geschichte der Modelle erzählen. Meist sind die Fotos auch mit den Namen der Portraitierten betitelt, so dass nicht ein anonymes oder vorgefertigtes Bild der Minderheit entsteht, sondern jeweils die Individuen im Vordergrund stehen. Oft ist Armut zu sehen, aber Gregori dokumentiert auch einen gesellschaftlichen Wandel und zeigt die Protagonisten der öffentlichen Emanzipationsbewegung, Künstler, Musiker und Aktivisten bei ihrer Arbeit oder während verschiedener Proteste und Veranstaltungen. Sie verschafft den Dargestellten visuelle Präsenz und verringert die wachsende Distanz zwischen der französischen Mehrheitsgesellschaft und den Roma.    
 
Ihre Teilnahme auch an internationalen Veranstaltungen zum Thema der Roma-Kultur, wie zum Beispiel am polnischen Jaw Dikh (Komme und sehe!) im Jahr 2011, und ihre besondere Vernetzung innerhalb der Romagemeinschaft haben ihre ursprüngliche Perspektive auf die französischen Roma erweitert. Mittlerweile werden die Fotografien von Jeannette Gregori auch international beachtet. Sie schlagen eine Brücke zwischen der Tradition und der heutigen Situation der Manouche. Sie zeigen eine Kultur, die die schwierigen Umstände mit Würde und Selbstbewusstsein besteht.

Text: Moritz Pankok

 

VALÉRIE LERAY: Nomads 

Valérie Leray (F) präsentiert mit der Serie Nomads Fotografien von verlassenen Orten, deren Vergangenheit erst durch den fotografischen Akt aus der scheinbaren Leere ihrer heutigen Präsenz geholt wird. Ausgehend von ihrer eigenen Familiengeschichte, anthropometrischem Bildmaterial und historischen Dokumenten begibt sich Valérie Leray auf die Spuren von Internierungslagern, in denen während des Zweiten Weltkriegs Sinti und Roma inhaftiert waren.         
Die Fotografien werden solchermaßen selbst zu Spuren: Sie sind Dokumente, die Lücken im individuellen wie kollektiven Gedächtnis füllen, und figurieren so in ihrer ästhetischen Präsenz die Absenz einer angemessenen historischen Auseinandersetzung mit der europäischen Geschichte der Sinti und Roma.           
Gerade in dieser ästhetischen Schlagkraft ist die Serie ein Beitrag zu einer aktuellen politischen Debatte in Deutschland, Frankreich und anderen Teilen Europas, in der angesichts zunehmender nationaler und regionaler Identitätsängste einerseits und einem gesamteuropäischen Krisengefühl andererseits die Gruppe der Sinti und Roma ein weiteres Mal Gefahr läuft, funktionalisiert zu werden.

Text: Peter Krilles

NIHAD NINO PUÅ IJA: Portraits

Der aus Sarajevo stammende Bosnier Nihad Nino Pušija lebt in Berlin. Er ist ein Fotograf, der als Reporter einen neuen Blick auf die Realität einer Minderheit wirft. Man sollte meinen, dass die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe bei der Beurteilung von Fotografien nicht von Interesse ist. Da die Dokumentarfotografie insbesondere osteuropäischer Roma durch Westeuropäer sich zu einem scheinbar eigenen Genre des Mediums entwickelt zu haben scheint, ist die Herkunft des Fotografen eben doch wichtig. Während in der genannten Fotografie meist der Eindruck der Verarmung und Not und vor allem der Andersartigkeit der Roma im Vordergrund steht und auf diese Weise ein gewisser Exotismus Thema dieser Bilder ist, steht bei Pušija im Vordergrund, das so oft von außen bestimmte Selbstbild wieder zurückzugewinnen. Mit den in seiner engen Umgebung entstehenden Bildern will er Mikrokosmen ohne den Anspruch auf Verallgemeinerung abbilden. Während in seinen Arbeiten der neunziger Jahre die Stadt Berlin als ein Ort des Wandels Thema seiner Arbeit war, beschäftigt er sich in den letzten Jahren zunehmend mit den Roma, sowohl in ihrer Wahlheimat als auch in anderen Ländern Europas. Ausgehend von seinem Miterleben und seiner dokumentarischen Erfassung der Umgebung, greift er heute oft spielerisch in die Realität ein.     
 
Mit seiner Serie von Portraits der teilnehmenden Künstler des 1. Roma Pavillons auf der Biennale Venedig in 2007, die in der Ausstellung EIGEN.BILD zum ersten Mal zu sehen sind, zeigt der Fotograf für die Galerie Kai Dikhas quasi selbstreflektiv die Protagonisten der Galerie selbst – nämlich die Portraits der Künstler, deren vielfältiges und erfolgreiches künstlerisches Schaffen die mittlerweile in ganz Europa aktive Kunstszene der Minderheit vorantreibt. Es sind diese Menschen, die das EIGEN.BILD der Sinti und Roma zum Leben erwecken. Sie stellen selbstbewusst der leider meist weiterhin feindlichen Öffentlichkeit und dem bestehenden Fremdbild der Medien eigene Entwürfe, künstlerische wie auch Lebens-Entwürfe entgegen. Diese Künstler wollen nicht „das“ Bild ihres Volkes abliefern, doch liefern sie beständig neue, die eine Annäherung und einen mannigfaltigen Diskurs ermöglichen. Diese Entwürfe sind sehr persönliche und ihre Autoren sind sie selbst, nicht andere. Die hier Portraitierten sind das Gegenteil dessen, was das fremdbestimmte Stereotyp den Roma als Gruppe zuschreibt. Sie sind aktive Individuen, die bereit sind, dem antiziganistischen Teufelskreis von Vorurteilen und Volksverhetzung ein Ende zu setzen, indem sie offen auf die Mehrheitsgesellschaft zugehen und Kommunikation, künstlerisch und ästhetisch, wie auch sozial und politisch ermöglichen.  
 
Auch andere ausgestellte Portraits verdeutlichen retrospektivisch die Kontinuität in der Arbeit des Fotografen Pušija: Wie er schon seit Jahren und meistens auch wiederkehrend sich mit seinen Modellen auseinandersetzt und die atmosphärisch dichtesten Momente findet, in denen mit großer Leichtigkeit die verschiedenen Parameter, die seine Modelle ausmachen, zusammenfallen. Es ist ein herzliches und warmes, ja stets das beste Bild, das uns der Fotograf von seinen Motiven vermittelt.

Text: Moritz Pankok   
                                                                  

LAUFZEIT 25. Oktober bis 29. November 2014
ÖFFNUNGSZEITEN Mittwoch bis Samstag . 12 – 18 Uhr u.n.V.
ERÖFFNUNG 24. Oktober 2014 . 19 – 21 Uhr
ORT Galerie Kai Dikhas . Aufbau Haus am Moritzplatz

 
Im Rahmen der Ausstellung finden folgende Veranstaltungen statt, zusätzliche Informationen jeweils hierzu auf Anfrage:

6. November . 18.30 Uhr      
EIGEN.BILD - Ausstellung von Ergebnissen des Fotoworkshops von NIHAD NINO PUŠIJA, Ausstellungseröffnung im Foyer des TAK Theater im Aufbau Haus

6. November . 21.00 Uhr
PHUTARDI JAKHA - Offene Augen VI: Filmpremiere des Films SONS OF THE WIND des Soundwalk Collective aus New York in der Galerie (in Zusammenarbeit mit ASPHALT TANGO Records)

8. November . 16.00 Uhr
DIVANO . Buchvorstellung DER BANN DES FREMDEN in der Galerie mit dem Autor Frank Reuter und Valérie Leray und Nino Nihad Pušija

21. November . 19.00 Uhr
EVERBODY'S GYPSY, Lesung der Autorin Dotschy Reinhardt in der Galerie im Rahmen des deutschen Vorlesetages

 
 
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