Daniel Baker, Lita Cabellut, Krzysztof Gil, Delaine Le Bas, Alfred Ullrich, George Vasilescu
STOPPING PLACES
10. November 2011 - 20. Januar 2012
Wie entstehen Identitäten – individuelle und kollektive? Was verbindet, was grenzt ab? Einzelne Momente, vielfältige Erlebnisse, menschliche Begegnungen und prägende Orte bilden die Essenz. Tagtäglich konstruieren wir durch Erinnerungen und Visionen unsere Identität in der Gegenwart neu, beziehungsweise stabilisieren sie. Ein ständiger, unbewusster Prozess zwischen Erkennen, Abgleichen, Bewerten, Annähern und Distanzieren. So wie das Individuum erfolgt die Identitätsbildung auch im Kollektiv – Millieus, Szenen, Völker und Nationen suchen Gemeinsamkeiten in ähnlichen Erfahrungen, Werten, Sichtweisen, Geschichten, um Halt und Sicherheit zu erlangen.
Sechs Künstler aus unterschiedlichen Herkunftsländern begeben sich auf die Suche und widmen sich einem Thema – ihrer Identität als Sinti und Roma und die damit verbundenen Eigenheiten und Klischées. Daniel Baker, Lita Cabellut, Krzysztof Gil, Delaine Le Bas, Alfred Ullrich und George Mihai Vasilecu entwickeln unterschiedliche Strategien, bestehende Bilder und Vorurteile über die größte Minderheit Europas ironisch zu brechen oder zu hinterfragen. In der Ausstellung hält die Galerie Kai Dikhas inne und wirft gemeinsam mit den sechs Künstlern einen Blick zurück auf das erste Jahr dieses neuen Kunstortes sowie auf die Herkunft und Geschichte dieses spezifischen künstlerischen Themas. Gleichzeitig präsentiert sie Kunst als einen offenen, dialogorientierten Entwurf für die Zukunft.

Daniel Bakers Serie „Mirrored Books“ hinterfragt die Funktion von Zeichen und Sprache. Inhalt und Form in seinen Werken passen nicht zusammen – eine Bedeutung ist nicht mehr zu erkennen. Der Titel eines Mirrored Book lautet ebenfalls „Stopping places“. Baker bezieht sich hier auf ein Buch über das „fahrende Volk“, die „Zigeuner“. Die Geschichte der Sinti und Roma wurde bis jetzt zumeist von „Gadjos“, Nicht- Roma, geschrieben. Entsprechend besetzt ist die vermeintlich eigene Geschichte der Roma. Die Schrift spiegelt sich in den Mirrored Books. Titel, Orte, literarische Figuren- dies wurde von anderen geschaffen und soll die Identität der Minderheit beschreiben.

In „Shit happens“ von Lita Cabellut geht es um nichts Geringeres als Begehren, Liebe und Tod. Die Auseinandersetzung mit sich selbst, der eigenen dunklen Seite und der bewussten, allgewärtigen einigen Sterblichkeit äußert sich im expressiven Tanz, der in den Filmstills zu sehen ist. Lita Cabellut bezieht sich mit diesem Werk auf Frida Kahlo als Identifikationsfigur für Leben und Tod.

In seinen Radierungen zeigt der polnische Künstler Krzysztof Gil die Macht der Vorurteile. Die Agressivität der Figuren und die Bosheit der Worte drehen sich im Kreis, lösen sich nicht auf. Wer beschimpft hier wen? Was bleibt zurück? Was prägt das eigene Empfinden sich selbst gegenüber? Und gegenüber den anderen?

In ihrem Selbstporträt in Form eines Schattenumrisses setzt sich Delaine Le Bas mit ihrer Herkunft auseinander und verweist zugleich auf die Frage von Identität allgemein und auf die Zufälligkeit einer solchen Zuschreibung. Ihre Arbeit ist eine Offenlegung von und eine Warnung vor zu festen Strukturen und Prozessen.

Zarte, zumeist abstrakte Radierungen – bei genauerer Betrachtung wird schnell Alfred Ullrichs Spielfreude deutlich. Immer wieder sind kleine Widersprüche und Störungen zu sehen, die die leidvolle Vergangenheit der Sinti und Roma als Teil seiner eigenen Lebenserfahrung thematisieren. Die Ausstellung zeit seine Serie von Illustrationen zu dem Gedicht "Zimmer und Rad" des Roma- Autors Jovan Nikolic.

George Mihai Vasilescu präsentiert einen ausgetragenen Turnschuh in einer Glasvitrine, auf dem Wolken zu sehen sind. Er verweist auf seine unzähligen Reisen und auf seinen Wahlverwandten Vincent van Gogh. Eine ganz eigene Suche nach Vorbildern in der Kunstgeschichte, die Halt geben und inspirieren.

STOPPING PLACES
Daniel Baker . Lita Cabellut . Krzysztof Gil . Delaine Le Bas . Alfred Ullrich . George Mihai Vasilescu
Eröffnung: Donnerstag, den 10. November 2011 . 18 bis 21 Uhr
Ausstellung: 11. November 2011 bis 20. Januar 2012