Ceija Stojka
*1933 geboren in Kraubath, Österreich
†2013 in Wien, Österreich
* WIR LEBEN IM VERBORGENEN, Heidelberger Kunstverein, Heidelberg, Deutschland 2014 (solo)
* SOGAR DER TOD HAT ANGST VOR AUSCHWITZ, Kunstverein Tiergarten & Schwartzsche Galerie, Berlin, Deutschland 2014 (solo)
* WIR SCHÄMTEN UNS, Gallery 8, Budapest, Ungarn 2014 (solo)
* DIE HELLEN BILDER, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland 2014 (solo)
* STOPPING PLACES II, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland 2012
* WIND.ERINNERUNGEN, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland 2012 (solo)
* „Reconsidering Roma“, Kunstquartier Bethanien, Berlin 2011
* „LIVE-DANCE-PAINT: Works by Romani Artist Ceija Stojka“, Sonoma State University, Kaliformien; Pacific University, Oregon; West Branch Gallery, Vermont, USA 2009 (solo)
* „Me dikhlem suno – Ich hatte einen Traum“, Lange Nacht der Kirchen, Wien, Österreich 2008
* „ceija stojka.leben", Jüdisches Museum Wien, Österreich 2005 (solo)
* „Ich hab` Angst, Auschwitz könnte nur schlafen“, Stadtgalerie Kiel, Deutschland 2001 (Solo)
BIOGRAFIE
Nichts ist mir wichtiger als mein Malen, es ist für mich Freiheit und Zuversicht. Von den Menschen, die zu mir kommen und mich umgeben, erhalte ich neue Kraft, damit ich weiter sprechen, erzählen und vielleicht auch wieder malen kann. Es sind noch so viele weiße Blätter da – leer und weiß – und mein Wollen kennt kein Ende.
(Aus dem Vorwort zum Ausstellungskatalog KAI DIKHAS - ORT DES SEHENS 2, 2012)
Ceija Stojka war Schriftstellerin und Malerin und wurde als jüngste Tochter von sieben Geschwistern in eine österreichische Lovrara-Familie geboren. Die Familie verbrachte die Winter in Wien und fuhr im Sommer als Pferdehändler durch das ländliche Österreich.
Der Anschluss Österreichs im März 1938 änderte die Lebenssituation der damals fünfjährigen Ceija und die aller Sinti und Roma grundlegend und unwiederbringlich. Von ihren Siedlungen in Wien, beispielsweise der Hellerwiese und der Wankog'stätten im 10. Wiener Gemeindebezirk wurden die Großfamilien deportiert, die Wohnstätten wurden nach dem Abtransport zerstört.
Nachdem Stojkas Vater im KZ Dachau ermordet worden war, wurde der Rest der Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. 1944 wurde kam Ceija mit ihrer Mutter und Schwester nach Ravensbrück, wo sie in der Nähstube arbeiten musste. Kurz vor dem Ende des Krieges brachte man alle drei nach Bergen-Belsen, wo sie am 15. April 1945 endlich befreit wurden. Von der Großfamilie, die etwa 200 Personen umfasste, überlebten nur sie, vier Schwestern und ihre Mutter. Mit der Befreiung kehrte Ceija Stojka 1945 nach Wien zurück, wo sie bis zu ihrem Tode lebte. In den kommenden Jahrzehnten arbeitete sie als Marktfahrerin und Teppichhändlerin, bevor sie in den späten 1980er-Jahren - als über 50 Jährige - als Autorin und Malerin an die Öffentlichkeit trat. 1988 schrieb sie ihr erstes Buch Wir leben im Verborgenen und machte als eine der ersten auf das Schicksal ihres Volkes in den Konzentrations- und Vernichtungslagern aufmerksam. 1992 folgte mit Reisende auf dieser Welt ihre Erinnerungen an die Zeit im Nachkriegsösterreich. Im Jahre 1989 fing sie nach einer Japanreise an, erste Bilder zu malen.
Als Überlebende nahm sie es zeitlebens auf sich, an das Schicksal der Holocaust-Opfer zu erinnern. Mit ihren Schriften und ihrer Kunst übernahm sie die wichtige Aufgabe einer mahnenden Überlieferung der bis heute nicht im kollektiven Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft verankerten Tatsache, dass auch die Roma Opfer des Holocaust waren. Sie brach damit ein Tabu und eine Mauer des Schweigens. Dies beinhaltete aber auch, immer wieder aufs Neue in Kauf zu nehmen sich mit ihren traumatischen Erinnerungen zu konfrontieren. Stojka verlieh in ihrer Arbeit dem Geschehen, das von Juden als Shoa und von Roma als Porajmos, zu Deutsch etwa „das Verschlingen“, bezeichnet wird, ergreifenden visuellen Ausdruck und brach so ein noch immer herrschendes Schweigen. In expressiven Ölgemälden, Aquarellen und einigen eher flüchtigen Skizzen gab sie dem Unbeschreiblichen eine überzeugende Form, überwand zu einem kleinen Teil das Erlittene durch eine drastische und geradezu kindlich-unmittelbar anmutende Darstellung, die die Perversion der Täter und die Unfassbarkeit des Geschehenen überdeutlich macht. Ihre Arbeitsweise war dabei sehr unmittelbar. Oft trug sie die Farbe mit bloßen Händen auf Leinwand, Papier oder schlichten Pappkarton auf. Vielfach sind diesen Bildern kurze kommentierende Texte beigegeben.
An den sogenannten „guten Tagen“ gab sie mit kraftvollen Pinselstrichen und leuchtenden Farben einen heiteren Einblick in die ihr vertraute Vorkriegs-Welt der Lovara Roma. Dies sind „andere“ Bilder, voller Farbe, getragen von einer Atmosphäre der Zuneigung und erfüllt von einem spezifischen Wind. Man sieht Romawagen, Plätze, an denen ihre Familie früher gehalten hat, und vor allem Natur. Diese Bilder sind wie ein Schritt aus der Finsternis heraus, und sie zeigen eine Malerin, deren Werke wie eine Vergewisserung ihrer Existenz und einer Welt jenseits des erfahrenen Albtraums wirken. Selbst wenn die alten Romawagen der Stojka-Familie nicht der Lebenswirklichkeit heutiger Roma entsprechen mögen, so wird ihr Abbild zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Enteignung einer Kultur und traditionellen Lebensweise. Während es manchen naiven Malern nicht gelingt, die Naturverbundenheit ihres Volkes wirklich glaubhaft darzustellen, so gehen von diesen Bildern Klarheit und ein regelrecht natürlicher Wind aus. Stojka nimmt sich mit bloßen Händen und ihrer Farbpalette, was ihr in ihrer Jugend für immer entrissen worden schien.
Ceija Stojka starb am 28. Januar 2013 in Wien, vier Monate vor ihrem 80. Geburtstag. Ihr Wirken, ihre Kunst und ihre unersetzliche, liebevolle Persönlichkeit dürfen nie vergessen werden.
ERÖFFNUNGSREDE
von Moritz Pankok anlässlich der Ausstellung CEIJA STOJKA . DIE HELLEN BILDER, Galerie Kai Dikhas, Berlin 28.1.2014
Herzlich willkommen zur Ausstellungseröffnung der Ausstellung CEIJA STOJKA . DIE HELLEN BILDER in der Galerie Kai Dikhas, auch im Namen des Teams der Galerie André Leibold und Katharina Woelm und Ares Quella herzlich willkommen.
Die heutige Ausstellung ist insofern eine besondere, als dass wir uns treffen, um an den Tod der Künstlerin, Autorin und Holocaust Überlebenden Ceija Stojka zu erinnern. Wieder ist also eine der Wenigen, die das Grauen der Nazi-Verfolgung überlebte, von uns gegangen. Ich hatte das Glück, Ceija Stojka noch ganz kurz persönlich kennengelernt zu haben. Und wie es denen erging, die dieses Glück hatten, so hat auch mich ihre Persönlichkeit innerhalb dieser kurzen Momente gefangen. Da ich als Kurator aber mit ihren wunderbaren Bildern, denen der fünf Ausstellungen, die wir bereits haben machen können und diesen, die hier heute zu sehen sind, zu tun habe, und da Ceija ihre Erinnerungen auch in Form von Lyrik und Erzählung hinterlassen hat, können wir noch viel von ihrer Persönlichkeit heute erleben.
Wie die anderen Opfer des Porrajmos, ist Ceija Stojka, eine die nicht vergessen werden darf. Und es war nebenbei bemerkt, ein Trauerspiel, dass das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas erst so spät realisiert wurde. Denn diese Geste war schon lange erwartet worden, und ich weiß von Ceija, wie gerne sie selbst teilgenommen hätte, an der Eröffnung des Denkmals. Wie sie das selbst erhofft hatte, wie wichtig ihr diese scheinbare Formalität war, und dass es eine Enttäuschung war, dass sie dann aufgrund ihres Gesundheitszustands diese Reise nicht mehr auf sich zu nehmen vermochte. Auch darum sind drei ihrer Werke in unserem Buch zum Denkmal „O Kalo Phani - Das Schwarze Wasser“ enthalten.
Ceija Stojka hat seit den achtziger Jahren damit begonnen, aus den Unsichtbaren Opfern der Sinti und Roma in Österreich, Menschen zu machen, die gehört werden. Sie hat ein Tabu des Schweigens gebrochen, mit dem die Angehörigen ihres Volkes, sich selbst aus Scham und Verletztheit schützen wollten. Auch die Verbitterung, die in dem Vorgang des Erlangens von „Wiedergutmachungen“ und des Kampfes um Anerkennung lag, der stets von den Opfern und Nachkommen und Anverwandten selbst initiiert werden musste. Eben gestern noch wurde den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Und es ist Menschen wie Ceija Stojka zu verdanken, die sich nicht mit dem Schweigen abgefunden haben, dass heute ein solcher Gedenktag in den offiziellen Kanon der Bundesrepublik aufgenommen worden sind.
In der Ausstellung WIND.ERINNERUNGEN im Mai 2012 und den vier Folgeausstellungen haben wir 76 Arbeiten des Zyklus „Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz“ zeigen können, einige dieser Arbeiten befinden sich nun in der Sammlung Kai Dikhas. Dieses Jahr wird dieser Zyklus, kuratiert von Lith Bahlmann und Matthias Reichelt, die gerade noch in Wien waren, im Ganzen in Berlin zu sehen sein. Es wird ein monografischer Katalog mit Abbildungen aller dieser Werke erscheinen, wo ich mich freue, dass die Galerie Kai Dikhas zu diesem Projekt meiner beiden Kollegen, in Form von Abbildungen wird beitragen können. Denn, wie schon gesagt, diese Erinnerungen, dürfen nicht vergessen werden und sie stellen ein einzigartiges, ein künstlerisches Dokument des Porrajmos dar.
Es ist aber fast wieder ein Fehler, dass ich diesem Teil ihres Schaffens einen so großen Raum einräume. Wir können anhand zum Beispiel ihres Vorworts für den Katalog Kai Dikhas 2 erkennen, wie viel Ceija Stojka uns darüber hinaus mitgeben wollte. Der Text, der nach Aufzeichnung durch Andrea Driendl im Krankenhaus bald nach meinem Besuch entstand, - bei dem ich Ceija aber nicht sehen durfte - sie sagte, sie habe ihre Haare nicht gemacht und das wäre für den Besuch eines jungen Mannes nicht angemessen - also wartete ich draußen und kommunizierte über Andrea und über Sonnen-Blumen, die Ceija sehr schätzte -, dieser Text liest sich wie ein Vermächtnis und er ist auch leider der letzte von Ceija veröffentlichte Text. Ceijas Werk ist also weit mehr als die literarische und künstlerische Überlieferung des Porrajmos.
Es sind ebenso die HELLEN BILDER, von denen beispielhafte und herausragende Arbeiten hier heute zu sehen sind. Die Galerie Kai Dikhas ist Galerie für die zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma, und es wird Menschen geben, die mich jetzt daran erinnern wollen, dass die Darstellung von Blumenfeldern einer anderen kunsthistorischen Zeit als der zeitgenössischen zugehören. Denen aber will ich antworten, dass diese Werke eine ganz eigene Kraft besitzen. Sie erzählen von einer ganz eigenen persönlichen Welt der Ceija Stojka, sie sind eine Erinnerung an eine nur für kurze Zeit unbeschwerte Jugend, sie sind eine kraftvolle und trotzige Wiederaneignung der Schönheit dieser Welt, die den Nazis nicht gelang zu vernichten. Trotz vieler Verluste von Verwandten, von Freunden und Angehörigen, konnte die Familie Stojka doch weiterleben und wurde zu einer, ich will sagen glamourösen und extravaganten Familie in Österreich, deren Musiker, insbesondere auch in den siebziger Jahren, die international gesuchtesten Musiker ihres Landes wurden. Wir zeigen zur Finissage am 15.3. einen Film mit Ceija Stojka‘s Neffen, dem Gitarren-Virtuosen Harri Stojka. In diesem Film begleitet eine musikalische Reise des Musikers nach Indien, die Herkunft der Rom vor rund 1000 Jahren. Die Musiker finden dort zwar musikalisch und gastfreundschaftliche Aufnahme, aber der Film zeigt ebenso, und das vielleicht eher unfreiwillig, dass die ROma nicht dorthin, sondern zu uns nach Europa gehören. Die Familie Stojka hat also mit Mungo Stojka, Karli und Hojda begnadete Musiker hervorgebracht und eben eine Ceija, die sich mit ihrer Kunst und ihrem Schreiben in die Öffentlichkeit wagte und ihren Bruder Karl, der auch malte, schließlich überragte. Ceijas Bilder, auch die hellsten sind also deshalb so stark, weil sie dennoch in diesem Kontext stehen. Ceija Stojka nimmt sich mit ihrer Farbpalette, und oft mit den bloßen Händen, was ihr durch die Nazizeit für immer entrissen schien. Sie sind ein farbkräftiges Trotzdem, eine Selbstvergewisserung und ein Festhalten, an dem was ihr gut schien - die Natur, die Freundschaft, ihre Familie.
Ceija Stojka war in ihrer Kunst, wie auch in ihrer Literatur, eine Autodidaktin, was sie von fast allen unserer Künstler der Galerie Kai Dikhas unterscheidet. Doch die Arbeitsweise ihrer Malerei hat sich zu einer eigenen Virtuosität entwickelt, was einmal sicher an der Übung, an dem somit konstanten Erleben des künstlerischen Verwirklichungsmomentes, der ein Moment großer Freiheit ist, liegt, aber auch an der Intensität ihrer Gefühlswelt, was wieder an ihrem Umfeld und ihren Erlebnissen liegt.
Ceija Stojka gelang es, und das ist ein großes Glück, diese Impulse direkt und sicher aufzunehmen. Die meisten ihrer Werke überzeugen gerade durch die Direktheit, durch das Vertrauen in den Moment ihres Entstehens. Sie sind nicht nach Skizzen gemacht oder in Schichten und Umarbeiten, in einem Ringen des Künstlers mit sich und seiner Materie entstanden, sondern frei und ohne Korrektur, ja unkorrigierbar, so direkt, wie die Künstlerin möchte, dass wir sie erleben, an dem Wind teilhaben, den sie in sich erspürte, wenn sie diese Bilder malte.
Gefährlich nah kommen wir in dieser Ausstellung an das, was man als ein Stereotyp von Roma kennt. Die Naturverbundenheit dieser Arbeiten könnte man dem Klischee des unberührt Wilden zuordnen. Und da ist ein Romawagen, der durch den Nebel reist. Doch er ist so auch etwas verklärt, ein Bild aus Ceija‘s ferner Jugend. Und während es in anderen Ländern vielleicht noch einige dieser Fahrenden gibt, so habe ich dieses Bild aus der Wohnung von Ceijas Sohn, der diese Wagen nur aus seiner Kindheit kennt, aus einer Wohnung im siebten Stock, eines großen Hochhauses, wo er und seine Familie schon lange wohnen. Es ist aber in keiner Weise falsch dieses Bild zu zeigen, es beschwört mit Stolz eine Vergangenheit, die für Ceija eine Zeit vor dem Grauen gewesen ist. Und zu einem bestimmten Teil ist es allein deshalb eine berechtigte, etwas nebelverklärte Selbstfiktion, dass dieses Zeit so unbeschwert gewesen ist. Denn die Gründe für dieses Fahren waren und sind bei den wenigen, die es heut noch tun, mannigfaltig und zum Teil mit steten Schwierigkeiten, Ausgrenzung, harter Arbeit und auch Armut verbunden, aber immer noch viel besser, als das was danach kommen sollte, und auch besser, als viele der Zustände, in denen manche Roma heute leben, sei es in den Slums in den Vororten von Belgrad oder bei Mietwucherern in Neukölln oder Duisburg Hochfeld zum Beispiel.
Während Ceija Stojka mit ihren Bildern des Auschwitz-Zyklus sich um eine Überlieferung dieser Erinnerung an die Konzentrationslager bemühte, und dies unermüdlich tat, denn es sind etwa 270 Arbeiten dieses Zyklus bekannt und sie tat dies auch unter der quälenden Bedingung, sich immer wieder aufs neue mit ihrem eigenem Trauma zu konfrontieren, so wird sie mit diesen Bildern eine Vermittlerin zwischen einer verlorenen Tradition ihres Volkes, der Lovara-Roma Österreichs mit der Moderne. Denn diese Bilder an sich sind keinesfalls traditionell oder gar folkloristisch. Sie sind eine sehr persönliche Äußerung ihrer Schöpferin. Auch mit diesen Bildern tritt sie aus der Zurückgezogenheit ihres Volkes auf eine formal einzigartige Weise in die Öffentlichkeit. Auch hier bricht sie ein Schweigen, was in den zahllosen schlechten Erfahrungen der Sinti und Roma mit uns Gadje, den Nicht-Roma begründet ist. Sie geht auf uns zu. Sie lässt uns teilhaben an ihrer Umwelt, was traditionell - und in ihrer Familie ebenso, abgesehen von ihrem Bruder Karl - höchstens durch Musik üblich war. Zudem enthalten diese Bilder auch bestimmte Symbole, die sie von eindimensionaler naiver Kunst unterscheiden und sie zu sehr persönlichen Werken machen und einen eigenen Kosmos der Ceija Stojka aufleben lassen. Nur zwei will ich sozusagen dechiffrieren, andere hingegen sind uns verschlossen:
Es sind einmal Ceija‘s Raben, die in fast allen Bildern zu finden sind. Sie sind nicht etwa ein Unglückssymbol wie wir meinen, sondern Ceija sprach von den Verstorbenen, die sie nicht alleine ließen. Es waren die Krähen, die über Auschwitz flogen, in denen sie ihre Verstorbenen sah, die sie zuversichtlich sein ließen, dass alle noch bei ihr seien.
Dann ist ihrer Signatur in fast allen Bildern ein Ast hinzugefügt. Dieser Ast ist eine Referenz an ihren „Lebensbaum“, einem Baum, der ihren Aussagen nach ihr Überleben sicherte, da sie in den letzten Tagen im Konzentrationslager Bergen Belsen sein Harz, seine Rinde und seine Blätter aß, was sie vor dem Verhungern bewahrt haben soll. Dieser Baum ist auch in dem Bild „Wer hat meinen Baum gefällt?“ dargestellt, das sie gemalt hat, als sie im Jahr 1996 bei einem Besuch im ehemaligen Konzentrationslager feststellen musste, dass jemand den Baum gefällt hatte. Wie bei vielen Bildern ist auf der Rückseite des Bildes ein Text verfasst.
Heute erinnern wir mit dieser Ausstellungseröffnung an den Tod einer der wichtigsten KünstlerInnen der Sinti und Roma, die auch auch eine der wichtigsten KünstlerInnen unserer Galerie war. Dieser Jahrestag des Todestages wird auch in Wien begangen. Dort feiert die Familie Stojka mit ihren Freunden und den Verwandten das Fest Pomana, das das Ende der Trauerzeit bedeutet. Ich will Ceija mit dieser Ausstellung auf unsere Weise ein Pomana bereiten, mit dem was wir vermögen, nämlich gute Ausstellungen zu machen, sie würdigen und so auf die reichhaltige bildende Kunst ihres Volkes hinweisen und dazu beizutragen, dass in dem Zusammenhang auch Ceija Stojkas Werk anerkannt, erinnert und rezipiert wird, und dass sie nicht vergessen wird. Diese Ausstellung sei ein Fest der Kunst.
Der Anschluss Österreichs im März 1938 änderte die Lebenssituation der damals fünfjährigen Ceija und die aller Sinti und Roma grundlegend und unwiederbringlich. Von ihren Siedlungen in Wien, beispielsweise der Hellerwiese und der Wankog'stätten im 10. Wiener Gemeindebezirk wurden die Großfamilien deportiert, die Wohnstätten wurden nach dem Abtransport zerstört.
Nachdem Stojkas Vater im KZ Dachau ermordet worden war, wurde der Rest der Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. 1944 wurde kam Ceija mit ihrer Mutter und Schwester nach Ravensbrück, wo sie in der Nähstube arbeiten musste. Kurz vor dem Ende des Krieges brachte man alle drei nach Bergen-Belsen, wo sie am 15. April 1945 endlich befreit wurden. Von der Großfamilie, die etwa 200 Personen umfasste, überlebten nur sie, vier Schwestern und ihre Mutter. Mit der Befreiung kehrte Ceija Stojka 1945 nach Wien zurück, wo sie bis zu ihrem Tode lebte. In den kommenden Jahrzehnten arbeitete sie als Marktfahrerin und Teppichhändlerin, bevor sie in den späten 1980er-Jahren - als über 50 Jährige - als Autorin und Malerin an die Öffentlichkeit trat. 1988 schrieb sie ihr erstes Buch Wir leben im Verborgenen und machte als eine der ersten auf das Schicksal ihres Volkes in den Konzentrations- und Vernichtungslagern aufmerksam. 1992 folgte mit Reisende auf dieser Welt ihre Erinnerungen an die Zeit im Nachkriegsösterreich. Im Jahre 1989 fing sie nach einer Japanreise an, erste Bilder zu malen.
Als Überlebende nahm sie es zeitlebens auf sich, an das Schicksal der Holocaust-Opfer zu erinnern. Mit ihren Schriften und ihrer Kunst übernahm sie die wichtige Aufgabe einer mahnenden Überlieferung der bis heute nicht im kollektiven Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft verankerten Tatsache, dass auch die Roma Opfer des Holocaust waren. Sie brach damit ein Tabu und eine Mauer des Schweigens. Dies beinhaltete aber auch, immer wieder aufs Neue in Kauf zu nehmen sich mit ihren traumatischen Erinnerungen zu konfrontieren. Stojka verlieh in ihrer Arbeit dem Geschehen, das von Juden als Shoa und von Roma als Porajmos, zu Deutsch etwa „das Verschlingen“, bezeichnet wird, ergreifenden visuellen Ausdruck und brach so ein noch immer herrschendes Schweigen. In expressiven Ölgemälden, Aquarellen und einigen eher flüchtigen Skizzen gab sie dem Unbeschreiblichen eine überzeugende Form, überwand zu einem kleinen Teil das Erlittene durch eine drastische und geradezu kindlich-unmittelbar anmutende Darstellung, die die Perversion der Täter und die Unfassbarkeit des Geschehenen überdeutlich macht. Ihre Arbeitsweise war dabei sehr unmittelbar. Oft trug sie die Farbe mit bloßen Händen auf Leinwand, Papier oder schlichten Pappkarton auf. Vielfach sind diesen Bildern kurze kommentierende Texte beigegeben.
An den sogenannten „guten Tagen“ gab sie mit kraftvollen Pinselstrichen und leuchtenden Farben einen heiteren Einblick in die ihr vertraute Vorkriegs-Welt der Lovara Roma. Dies sind „andere“ Bilder, voller Farbe, getragen von einer Atmosphäre der Zuneigung und erfüllt von einem spezifischen Wind. Man sieht Romawagen, Plätze, an denen ihre Familie früher gehalten hat, und vor allem Natur. Diese Bilder sind wie ein Schritt aus der Finsternis heraus, und sie zeigen eine Malerin, deren Werke wie eine Vergewisserung ihrer Existenz und einer Welt jenseits des erfahrenen Albtraums wirken. Selbst wenn die alten Romawagen der Stojka-Familie nicht der Lebenswirklichkeit heutiger Roma entsprechen mögen, so wird ihr Abbild zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Enteignung einer Kultur und traditionellen Lebensweise. Während es manchen naiven Malern nicht gelingt, die Naturverbundenheit ihres Volkes wirklich glaubhaft darzustellen, so gehen von diesen Bildern Klarheit und ein regelrecht natürlicher Wind aus. Stojka nimmt sich mit bloßen Händen und ihrer Farbpalette, was ihr in ihrer Jugend für immer entrissen worden schien.
Ceija Stojka starb am 28. Januar 2013 in Wien, vier Monate vor ihrem 80. Geburtstag. Ihr Wirken, ihre Kunst und ihre unersetzliche, liebevolle Persönlichkeit dürfen nie vergessen werden.
ERÖFFNUNGSREDE
von Moritz Pankok anlässlich der Ausstellung CEIJA STOJKA . DIE HELLEN BILDER, Galerie Kai Dikhas, Berlin 28.1.2014
Herzlich willkommen zur Ausstellungseröffnung der Ausstellung CEIJA STOJKA . DIE HELLEN BILDER in der Galerie Kai Dikhas, auch im Namen des Teams der Galerie André Leibold und Katharina Woelm und Ares Quella herzlich willkommen.
Die heutige Ausstellung ist insofern eine besondere, als dass wir uns treffen, um an den Tod der Künstlerin, Autorin und Holocaust Überlebenden Ceija Stojka zu erinnern. Wieder ist also eine der Wenigen, die das Grauen der Nazi-Verfolgung überlebte, von uns gegangen. Ich hatte das Glück, Ceija Stojka noch ganz kurz persönlich kennengelernt zu haben. Und wie es denen erging, die dieses Glück hatten, so hat auch mich ihre Persönlichkeit innerhalb dieser kurzen Momente gefangen. Da ich als Kurator aber mit ihren wunderbaren Bildern, denen der fünf Ausstellungen, die wir bereits haben machen können und diesen, die hier heute zu sehen sind, zu tun habe, und da Ceija ihre Erinnerungen auch in Form von Lyrik und Erzählung hinterlassen hat, können wir noch viel von ihrer Persönlichkeit heute erleben.
Wie die anderen Opfer des Porrajmos, ist Ceija Stojka, eine die nicht vergessen werden darf. Und es war nebenbei bemerkt, ein Trauerspiel, dass das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas erst so spät realisiert wurde. Denn diese Geste war schon lange erwartet worden, und ich weiß von Ceija, wie gerne sie selbst teilgenommen hätte, an der Eröffnung des Denkmals. Wie sie das selbst erhofft hatte, wie wichtig ihr diese scheinbare Formalität war, und dass es eine Enttäuschung war, dass sie dann aufgrund ihres Gesundheitszustands diese Reise nicht mehr auf sich zu nehmen vermochte. Auch darum sind drei ihrer Werke in unserem Buch zum Denkmal „O Kalo Phani - Das Schwarze Wasser“ enthalten.
Ceija Stojka hat seit den achtziger Jahren damit begonnen, aus den Unsichtbaren Opfern der Sinti und Roma in Österreich, Menschen zu machen, die gehört werden. Sie hat ein Tabu des Schweigens gebrochen, mit dem die Angehörigen ihres Volkes, sich selbst aus Scham und Verletztheit schützen wollten. Auch die Verbitterung, die in dem Vorgang des Erlangens von „Wiedergutmachungen“ und des Kampfes um Anerkennung lag, der stets von den Opfern und Nachkommen und Anverwandten selbst initiiert werden musste. Eben gestern noch wurde den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Und es ist Menschen wie Ceija Stojka zu verdanken, die sich nicht mit dem Schweigen abgefunden haben, dass heute ein solcher Gedenktag in den offiziellen Kanon der Bundesrepublik aufgenommen worden sind.
In der Ausstellung WIND.ERINNERUNGEN im Mai 2012 und den vier Folgeausstellungen haben wir 76 Arbeiten des Zyklus „Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz“ zeigen können, einige dieser Arbeiten befinden sich nun in der Sammlung Kai Dikhas. Dieses Jahr wird dieser Zyklus, kuratiert von Lith Bahlmann und Matthias Reichelt, die gerade noch in Wien waren, im Ganzen in Berlin zu sehen sein. Es wird ein monografischer Katalog mit Abbildungen aller dieser Werke erscheinen, wo ich mich freue, dass die Galerie Kai Dikhas zu diesem Projekt meiner beiden Kollegen, in Form von Abbildungen wird beitragen können. Denn, wie schon gesagt, diese Erinnerungen, dürfen nicht vergessen werden und sie stellen ein einzigartiges, ein künstlerisches Dokument des Porrajmos dar.
Es ist aber fast wieder ein Fehler, dass ich diesem Teil ihres Schaffens einen so großen Raum einräume. Wir können anhand zum Beispiel ihres Vorworts für den Katalog Kai Dikhas 2 erkennen, wie viel Ceija Stojka uns darüber hinaus mitgeben wollte. Der Text, der nach Aufzeichnung durch Andrea Driendl im Krankenhaus bald nach meinem Besuch entstand, - bei dem ich Ceija aber nicht sehen durfte - sie sagte, sie habe ihre Haare nicht gemacht und das wäre für den Besuch eines jungen Mannes nicht angemessen - also wartete ich draußen und kommunizierte über Andrea und über Sonnen-Blumen, die Ceija sehr schätzte -, dieser Text liest sich wie ein Vermächtnis und er ist auch leider der letzte von Ceija veröffentlichte Text. Ceijas Werk ist also weit mehr als die literarische und künstlerische Überlieferung des Porrajmos.
Es sind ebenso die HELLEN BILDER, von denen beispielhafte und herausragende Arbeiten hier heute zu sehen sind. Die Galerie Kai Dikhas ist Galerie für die zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma, und es wird Menschen geben, die mich jetzt daran erinnern wollen, dass die Darstellung von Blumenfeldern einer anderen kunsthistorischen Zeit als der zeitgenössischen zugehören. Denen aber will ich antworten, dass diese Werke eine ganz eigene Kraft besitzen. Sie erzählen von einer ganz eigenen persönlichen Welt der Ceija Stojka, sie sind eine Erinnerung an eine nur für kurze Zeit unbeschwerte Jugend, sie sind eine kraftvolle und trotzige Wiederaneignung der Schönheit dieser Welt, die den Nazis nicht gelang zu vernichten. Trotz vieler Verluste von Verwandten, von Freunden und Angehörigen, konnte die Familie Stojka doch weiterleben und wurde zu einer, ich will sagen glamourösen und extravaganten Familie in Österreich, deren Musiker, insbesondere auch in den siebziger Jahren, die international gesuchtesten Musiker ihres Landes wurden. Wir zeigen zur Finissage am 15.3. einen Film mit Ceija Stojka‘s Neffen, dem Gitarren-Virtuosen Harri Stojka. In diesem Film begleitet eine musikalische Reise des Musikers nach Indien, die Herkunft der Rom vor rund 1000 Jahren. Die Musiker finden dort zwar musikalisch und gastfreundschaftliche Aufnahme, aber der Film zeigt ebenso, und das vielleicht eher unfreiwillig, dass die ROma nicht dorthin, sondern zu uns nach Europa gehören. Die Familie Stojka hat also mit Mungo Stojka, Karli und Hojda begnadete Musiker hervorgebracht und eben eine Ceija, die sich mit ihrer Kunst und ihrem Schreiben in die Öffentlichkeit wagte und ihren Bruder Karl, der auch malte, schließlich überragte. Ceijas Bilder, auch die hellsten sind also deshalb so stark, weil sie dennoch in diesem Kontext stehen. Ceija Stojka nimmt sich mit ihrer Farbpalette, und oft mit den bloßen Händen, was ihr durch die Nazizeit für immer entrissen schien. Sie sind ein farbkräftiges Trotzdem, eine Selbstvergewisserung und ein Festhalten, an dem was ihr gut schien - die Natur, die Freundschaft, ihre Familie.
Ceija Stojka war in ihrer Kunst, wie auch in ihrer Literatur, eine Autodidaktin, was sie von fast allen unserer Künstler der Galerie Kai Dikhas unterscheidet. Doch die Arbeitsweise ihrer Malerei hat sich zu einer eigenen Virtuosität entwickelt, was einmal sicher an der Übung, an dem somit konstanten Erleben des künstlerischen Verwirklichungsmomentes, der ein Moment großer Freiheit ist, liegt, aber auch an der Intensität ihrer Gefühlswelt, was wieder an ihrem Umfeld und ihren Erlebnissen liegt.
Ceija Stojka gelang es, und das ist ein großes Glück, diese Impulse direkt und sicher aufzunehmen. Die meisten ihrer Werke überzeugen gerade durch die Direktheit, durch das Vertrauen in den Moment ihres Entstehens. Sie sind nicht nach Skizzen gemacht oder in Schichten und Umarbeiten, in einem Ringen des Künstlers mit sich und seiner Materie entstanden, sondern frei und ohne Korrektur, ja unkorrigierbar, so direkt, wie die Künstlerin möchte, dass wir sie erleben, an dem Wind teilhaben, den sie in sich erspürte, wenn sie diese Bilder malte.
Gefährlich nah kommen wir in dieser Ausstellung an das, was man als ein Stereotyp von Roma kennt. Die Naturverbundenheit dieser Arbeiten könnte man dem Klischee des unberührt Wilden zuordnen. Und da ist ein Romawagen, der durch den Nebel reist. Doch er ist so auch etwas verklärt, ein Bild aus Ceija‘s ferner Jugend. Und während es in anderen Ländern vielleicht noch einige dieser Fahrenden gibt, so habe ich dieses Bild aus der Wohnung von Ceijas Sohn, der diese Wagen nur aus seiner Kindheit kennt, aus einer Wohnung im siebten Stock, eines großen Hochhauses, wo er und seine Familie schon lange wohnen. Es ist aber in keiner Weise falsch dieses Bild zu zeigen, es beschwört mit Stolz eine Vergangenheit, die für Ceija eine Zeit vor dem Grauen gewesen ist. Und zu einem bestimmten Teil ist es allein deshalb eine berechtigte, etwas nebelverklärte Selbstfiktion, dass dieses Zeit so unbeschwert gewesen ist. Denn die Gründe für dieses Fahren waren und sind bei den wenigen, die es heut noch tun, mannigfaltig und zum Teil mit steten Schwierigkeiten, Ausgrenzung, harter Arbeit und auch Armut verbunden, aber immer noch viel besser, als das was danach kommen sollte, und auch besser, als viele der Zustände, in denen manche Roma heute leben, sei es in den Slums in den Vororten von Belgrad oder bei Mietwucherern in Neukölln oder Duisburg Hochfeld zum Beispiel.
Während Ceija Stojka mit ihren Bildern des Auschwitz-Zyklus sich um eine Überlieferung dieser Erinnerung an die Konzentrationslager bemühte, und dies unermüdlich tat, denn es sind etwa 270 Arbeiten dieses Zyklus bekannt und sie tat dies auch unter der quälenden Bedingung, sich immer wieder aufs neue mit ihrem eigenem Trauma zu konfrontieren, so wird sie mit diesen Bildern eine Vermittlerin zwischen einer verlorenen Tradition ihres Volkes, der Lovara-Roma Österreichs mit der Moderne. Denn diese Bilder an sich sind keinesfalls traditionell oder gar folkloristisch. Sie sind eine sehr persönliche Äußerung ihrer Schöpferin. Auch mit diesen Bildern tritt sie aus der Zurückgezogenheit ihres Volkes auf eine formal einzigartige Weise in die Öffentlichkeit. Auch hier bricht sie ein Schweigen, was in den zahllosen schlechten Erfahrungen der Sinti und Roma mit uns Gadje, den Nicht-Roma begründet ist. Sie geht auf uns zu. Sie lässt uns teilhaben an ihrer Umwelt, was traditionell - und in ihrer Familie ebenso, abgesehen von ihrem Bruder Karl - höchstens durch Musik üblich war. Zudem enthalten diese Bilder auch bestimmte Symbole, die sie von eindimensionaler naiver Kunst unterscheiden und sie zu sehr persönlichen Werken machen und einen eigenen Kosmos der Ceija Stojka aufleben lassen. Nur zwei will ich sozusagen dechiffrieren, andere hingegen sind uns verschlossen:
Es sind einmal Ceija‘s Raben, die in fast allen Bildern zu finden sind. Sie sind nicht etwa ein Unglückssymbol wie wir meinen, sondern Ceija sprach von den Verstorbenen, die sie nicht alleine ließen. Es waren die Krähen, die über Auschwitz flogen, in denen sie ihre Verstorbenen sah, die sie zuversichtlich sein ließen, dass alle noch bei ihr seien.
Dann ist ihrer Signatur in fast allen Bildern ein Ast hinzugefügt. Dieser Ast ist eine Referenz an ihren „Lebensbaum“, einem Baum, der ihren Aussagen nach ihr Überleben sicherte, da sie in den letzten Tagen im Konzentrationslager Bergen Belsen sein Harz, seine Rinde und seine Blätter aß, was sie vor dem Verhungern bewahrt haben soll. Dieser Baum ist auch in dem Bild „Wer hat meinen Baum gefällt?“ dargestellt, das sie gemalt hat, als sie im Jahr 1996 bei einem Besuch im ehemaligen Konzentrationslager feststellen musste, dass jemand den Baum gefällt hatte. Wie bei vielen Bildern ist auf der Rückseite des Bildes ein Text verfasst.
Heute erinnern wir mit dieser Ausstellungseröffnung an den Tod einer der wichtigsten KünstlerInnen der Sinti und Roma, die auch auch eine der wichtigsten KünstlerInnen unserer Galerie war. Dieser Jahrestag des Todestages wird auch in Wien begangen. Dort feiert die Familie Stojka mit ihren Freunden und den Verwandten das Fest Pomana, das das Ende der Trauerzeit bedeutet. Ich will Ceija mit dieser Ausstellung auf unsere Weise ein Pomana bereiten, mit dem was wir vermögen, nämlich gute Ausstellungen zu machen, sie würdigen und so auf die reichhaltige bildende Kunst ihres Volkes hinweisen und dazu beizutragen, dass in dem Zusammenhang auch Ceija Stojkas Werk anerkannt, erinnert und rezipiert wird, und dass sie nicht vergessen wird. Diese Ausstellung sei ein Fest der Kunst.