Imrich Tomáš
FERNWEH . FRAGMENTE
23. März - 04. Mai 2012

Das Wort "Fernweh" beinhaltet das Gefühl der Sehnsucht. Dieses "Sehnen" kann eine neue Bedeutungsebene gewinnen, wenn die Wirkungskraft der Natur sie zur Materie macht. Der Roma Künstler Imrich Tomáš nutzt die Materialien der Natur wie Hanffasern, Pigment und Kunstharze zur Schaffung vielfältiger, rhythmischer Formen. Seine Werke sprengen die räumliche Dimension einer Leinwand und hinterfragen die Räumlichkeit der Dinge. Bei manchen Bildern ist es, als öffne sich ein Raum hinter dem Bild. Schicht um Schicht vollziehen die Werke durch Struktur und Farbe ein organisches Wachstum nach. Es entstehen organische Objekte, die eine gewisse Skepsis des Künstlers gegenüber unserer Realität spiegeln.

Hier werden keine Regeln des Realen eingehalten. Die Schichten der Werke zeigen gleichzeitig die Schichten einer Persönlichkeit, die sich eine eigene Dimension im künstlerischen Schaffen erarbeitet hat. Der entstandene Raum in den Werken lässt gleichzeitg einen inneren Monolog des Betrachters und eigene Deutungsweisen zu. Die entwickelten Rasterformen wirken nicht wie Gitter, die eingrenzen, sondern vielmehr wie Stege in eine andere Welt.

Seine ursprüngliche Heimat Slowakei und der realsozalistische Kunstbegriff boten dem jungen Künstler, der seine Umgebung seit seiner Jugend darzustellen versuchte, weder Raum noch Freiheit oder überhaupt die Möglichkeit, ein Auskommen zu finden. Sogar in seiner Familie machte seine Kunst ihn zu einem Außenseiter. 1969 konnte er nach West-Berlin ausreisen und fand in der Kreuzberger Kunstszene die ersehnte Freiheit und zahlreiche Anknüpfungspunkte.

Sein künstlerisches Schaffen entwickelte sich von der figurativen Malerei hin zur Abstraktion und einer Kunst von großer Klarheit. Gleichzeitig führte dieser Weg von der Zweidimensionalität zu räumlichen Arbeiten. Die meisten seiner heutigen Werke sind Reliefs und Objektkunstwerke. Auch wenn sie auf den ersten Blick wie chemisch erzeugte Formationen aussehen, so sind es zumeist doch natürliche Materialien, die der Künstler zu zarten Strukturen formt. Den Künstler interessieren sinnliche und optisch mehrdeutige Erscheinungsformen. Vielfach scheinen seine Arbeiten zu schweben, und sie erzeugen eine große Tiefe. Die fast ungelenken Linien, die auf die tiefgrünen oder -blauen, an Yves Klein erinnernden Pigmentreliefs gezeichnet sind, unterstützen diesen Effekt. Einige seiner Arbeiten aus filigranen Hanffasern muten geradezu unscharf an, als bewegten sie sich irisiernd im Hochfrequenzbereich. Die Werke täuschen also vor, etwas anderes zu sein, als sie sind, und eröffnen seiner Kunst eine eigene Dimension. Eben hier ist die Freiheit spürbar, die der Künstler immer gesucht hat. Elegant und unaufdringlich, tun seine Werke doch einen großen Schritt in eine Welt, in der eine Erinnerung an die Diskriminierung seiner Minderheit, auch in seiner Heimat, oder etwa an ideologische und politische Unterdrückung wie ausgelöscht ist. Der Künstler lädt uns bescheiden ein, seinem Drumo, seinem Weg – so die Bedeutung des aus dem Griechischen stammenden Romanes-Wortes – zu folgen. Es ist nichts anderes als ein Weg in die Freiheit.

FERNWEH . FRAGMENTE
Imrich Tomáš

Eröffnung: 22. März 2012. 19 bis 21 Uhr
Ausstellung: 23. März bis 4.Mai 2012

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